Der Spreewaldkahn – Bau und Nutzung

Der Spreewaldkahn, sorbisch cołn, gehört in die Kulturlandschaft des Spreewalds und ist ein historisches Transportmittel, das perfekt an die Gegebenheiten der unzähligen Spreewaldfließe angepasst ist. Nicht zu breit und mit geringem Tiefgang. Er stellte für die Bevölkerung im Spreewald eine Selbstverständlichkeit dar und wurde in allen Lebenslagen genutzt: zur Tauffahrt, als Schulkahn, für den Transport von Gütern, zur Hochzeit aber auch als Trauerkahn. Der Kahn lebt durch und mit den Menschen, wie auch das Gedicht „Der Kahn“ von Ewald Müller bildlich beschreibt:

„…Der Kahn war seiner Kinder Wiege, ihr Tummelplatz, ihr Aufenthalt. Er führte sie zu Kirch und Schule, er nahm zum Grab sie bleich und kalt…“

Noch heute wird auf den Spreewaldfließen „Koahn gefoahrn“, auch wenn sich durch den Straßenbau die Angewiesenheit auf den Kahn verändert hat. Der Kahn steht daher im Spiegel der Geschichte vom reinen Nutzfahrzeug in der Kulturlandschaft des Spreewalds hin zum Erlebnis einer naturnahen Erholung für viele Besucher. Auch für unterschiedlichste Nutzergruppen, von Fischern, Jägern über die Feuerwehr oder die Naturwacht im UNESCO Biosphärenreservat Spreewald, ist der Kahn als Nutzfahrzeug in der Gegenwart vertreten. Der Spreewaldkahn wird dabei im Heck stehend mit einem etwa 4 m langen Rudel gestakt. Oftmals wurde das Kahnfahren von Kindesbeinen an gelernt. Mittlerweile werden jedoch auch Kurse angeboten, bei denen Interessierte den Umgang mit dem Rudel lernen können.

Heutzutage bestehen Spreewaldkähne entweder aus dem traditionellen Werkstoff Holz, mit der Unterscheidung in Quer- und Längsbodenkähne, oder aus Aluminium, das pflegeleicht und einfach zu beschaffen ist. Der Bau von Holzkähnen ist mit einem sehr spezifischen Wissen verbunden, über das nur eine kleine Gruppe von Handwerksbetrieben oder Privatpersonen verfügen. Heute gibt es nur noch drei Tischlereibetriebe, die gewerblich Holzkähne herstellen. Zudem fertigen drei Metallbaubetriebe Spreewaldkähne aus Aluminium an. Aufgrund der hohen Altersstruktur und der geringen Zahl nachrückender Fachkräfte ist die Zahl der Betriebe rückläufig. Neben diesen gewerblichen Aktivitäten gibt es eine kleine Gruppe von Privatpersonen, die sich ihren eigenen Spreewaldkahn aus Holz bauen.

Neben dem Kahnbau ist auch die handwerkliche Fertigung des Rudels aus Holz mit Fachwissen verbunden. Die geringe Verfügbarkeit von geeignetem Holz stellt jedoch ein Risiko für das Handwerk des Kahn- als auch Rudelbaus dar. Negative Umwelteinflüsse und ein geringer gesunder Altbaumbestand machen diese Ressource rar. Der Holzkahn benötigt zudem eine spezielle Pflege. So sollte ein Spreewaldkahn aus Holz mindestens einmal im Jahr aus dem Wasser gezogen werden, um zu trocknen und mit Kienteer behandelt zu werden. Aus diesem Grund verfügten die meisten Spreewälder über mindestens zwei Kähne, damit stets ein Kahn einsatzbereit ist. Im Gegensatz zu der aufwendigen Pflege von Holzkähnen, müssen Aluminiumkähne fast gar nicht gepflegt werden und sind auch in den Wintermonaten verlässlich einsetzbar. Wie viele Kähne heute im Gebiet des Spreewaldes fahren, kann nur geschätzt werden. Es werden aber weit über 1.000 sein, darunter neue Spreewaldkähne als auch Erbstücke.

Das Wissen über die Spreewaldkähne zu bewahren, zu dokumentieren und weiterzugeben, ist bereits Ziel mehrerer Akteure und Aktivitäten in der Region. So beschreiben Peter Becker und Bernd Marx in ihrem Buch „Faszination Spreewaldkahn“ bereits ausführlich die Historie als auch die aktuelle Lebensart und Bauweise des Spreewaldkahns. Auch das Freilandmuseum Lehde beinhaltet eine ehemalige Kahnbauerei und bringt den Besuchern den traditionellen Holzkahnbau näher. Der identitätsstiftende Charakter lässt sich auch an einer Fülle von Veranstaltungen rund um und mit dem Spreewaldkahn abbilden. So z.B. bei dem traditionellen Kahnkorso in Lehde, bei dem sich regionale Vereine, Landwirtschaftsbetriebe und Akteure aus der Region auf festlich geschmückten Spreewaldkähnen präsentieren. Aber auch Künstler:innen nutzen die besondere Atmosphäre auf einem Spreewaldkahn oder inszenieren den Kahn als Kunstobjekt. Die traditionellen als auch neuen Nutzungsformen werden den Spreewaldkahn
somit auch zukünftig im Spreewald präsent halten.

Foto: Peter Becker