Kahn-Prototyp leutet Zukunft ein

Tradition trifft Innovation

Der kleine Spreewaldort Straupitz ist um eine Attraktion reicher. Während Schinkelkirche, Kornspeicher, Holländerwindmühle und Co. einen historischen Blick auf die Kulturlandschaft bieten, gibt es aktuell ein neues Highlight, welches den Blick in die Zukunft wagt. Im Hafen Straupitz liegt ab sofort für alle Interessierten Testfahrer*innen ein Kahn-Prototyp der Tischlerei Vollholzschmiede GbR bereit. Das Besondere: die aus dem Bootssport adaptierte Bauweise des 6,5 Meter langen Gefährts, denn die Seitenbohlen sind im Furnier und mittels Spezialharz zusammengefügt. Gebaut hat den wendigen Kahn die Tischlerei Vollholzschmiede und tritt damit einer großen Erschwernis des traditionellen Spreewaldkahnbaus entgegen – der Rohstoffbeschaffung. Während die klassische Bauweise mit zur Hilfenahme von Feuer und Wasser, auf gerade gewachsene und jahrzehntealte, entastete Kiefernstämme angewiesen ist, kommt in der experimentellen Bauart flachgesägtes Furnierholz einheimischer Bäume zum Einsatz. Durch neue Klebetechnologien und moderne Vakuumpressen können die Seitenwände schon während der Fertigung in die Endform gebracht werden. „Das ermöglicht ein spannungsfreies Verbauen, eines der wichtigsten Dinge, die beim Kahnbau beachtet werden müssen – es gibt kein Biegen über dem Feuer mehr“, berichtet Marcel Müller. Er ist neben Andreas Zimmer einer der Geschäftsführer des Straupitzer Betriebes Vollholzschmiede GbR, der sich originär der individuellen Möbelanfertigung widmet. Durch eine Anfrage zur Kahnreparatur aus der Nachbarschaft sind die zwei auf den Kahnbau gekommen. Seither ließ das Thema beide nicht mehr los. Sie setzten sich mit dem traditionellen Holzkahnbau auseinander und suchten Austausch mit etablierten Werkstätten und Handwerkern zum Spezialwissen rund um den Spreewaldkahnbau.

Am 7. Juli 2025 war es dann soweit: Mit Sekt wurde im Straupitzer Hafen die Kahntaufe übernommen und im Anschluss (bedingt durch starke Wasserknappheit in den angrenzenden Fließen) eine erste, kurze Fahrt im Hafenbecken gewagt. Der Straupitzer Fährmann Norman Muschka durfte als Erster den mit sechs Personen besetzten Kahn staken, der optisch am ehesten durch seine natürlich, helle Farbgebung auffällt. Aufgetragener Wurzelteer aus Schweden, als wahrer Geheimtipp für die Holzpflege zu Wasser, sorgt für das besondere Bild.

Auch die anwesenden und eingeladenen Expert*innen, darunter Kahnbauer und Fährleute ließen es sich nicht nehmen, den neuartigen Kahn auf Herz und Nieren zu prüfen und drehten die ein oder andere Probefahrt. Das Feedback zum klein gehaltenen Prototypen fiel positiv aus, alle waren voll des Lobes und sehen durchaus eine Zukunft für den „Furnierkahn“, wenn die weiteren Tests gut verlaufen und auch der TÜV seine Zustimmung erteilt. So meinte Tester und ehemaliger Holzkahnbauer Wolfgang Gahl aus Lehde nach kurzer Fahrt: „Sehr interessant, super geformte Seiten, schnittiges Aussehen und gut führbar – das könnte Zukunft haben!“ Auch der Burger Unternehmer Peter Jakubik mit Erfahrungen im Alukahnbau zeigte sich sehr angetan: „Tolle Idee – und mutige junge Männer, die sich was trauen und in die Zukunft investieren. Solche Leute brauchen wir überall; nicht meckern, sondern machen.“ Die Lübbenauerin Carola Piegert, welche einen Bootsverleih betreibt und passionierte Kahnfährfrau ist, ist positiv gestimmt: „Der stakt sich sehr angenehm, er lässt sich gut führen und sieht schick aus – das könnte etwas werden.“

Nun liegt der Kahn erst einmal in Straupitz und hofft auf zahlreiche Testfahrten. Norman Muschka darf ihn ab sofort nutzen, aber auch anderen Interessierten bietet die Vollholzschmiede GbR die Möglichkeit der Nutzung. Sobald die Fließe in Straupitz wieder fahrbar sind, soll es losgehen.  Wer selbst losstaken möchte oder ehrliches Kaufinteresse hat, kann sich ab sofort an Andreas Zimmer und Marcel Müller wenden.

Wir freuen uns, über dieses mutige Projekt und die dahinter stehenden Menschen, die mit viel Herzblut, Zeit und Energie etwas bewegen wollen und sich um die Zukunft kümmern – machen statt meckern! Das ist Engagement, welches es zu würdigen und wertzuschätzen gilt, denn mit diesem Mut zum „Blick über den Tellerrand“ kann Tradition in die Zukunft getragen und für nachfolgende Generationen bewahrt werden!

Mehr Infos zum den Spreewaldkahn als anerkanntes immaterielles Kulturerbe gibt es hier

 

Der hier aufgeführte Text entstand in Zusammenarbeit mit Spreewaldfotograf Peter Becker. Einen Blogbeitrag und weitere Bilder zur Kahntaufe finden sich hier: Spreewaldkahn 2.0? – Kahntaufe in Straupitz – Spreewaldblog